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17. April 2014 4 17 /04 /April /2014 10:41

mulan_20091119_aatheory.jpgDas Bild kommt übrigens hier her.

Das ist Mulan. Diejenigen, die die Disneyfilme kennen und lieben, werden sie kennen: Die junge Chinesin, die sich als Soldat verkleidet, um anstelle ihres kranken Vaters in den Krieg zu ziehen und am Ende ganz China rettet. Diese Szene ist eine meiner Lieblingsszenen, nicht nur von diesem Film, sondern überhaupt von allen Filmen, die ich so kenne. Warum?
Mulan hat eigentlich überhaupt keine Lust zu heiraten, doch von den Mädchen ihres Alters wird es erwartet, reich zu heiraten und der Familie Ehre zu bringen, also wird auch Mulan zu einer Heiratsvermittlerin geschickt - vorher wird sie hübsch angezogen, geschminkt und in Schale geworfen. Nachdem der Besuch bei der Heiratsvermittlerin katastrophal schief gelaufen ist, kehrt Mulan beschämt nach Hause zurück, mit dem Gefühl, ihre Familie gnadenlos enttäuscht zu haben und zu nichts nütze zu sein. Sie betritt den Ahnentempel, blickt in den Spiegel und wischt sich die Schminke aus dem Gesicht, die so überhaupt nicht zu ihr passt. "Who is that girl I see, staring straight back at me? Why is my reflection someone I don't know?"

Ich liebe diese Szene nicht nur wegen der schönen Zeichnungen, wegen der bewegenden Musik oder der Asienthemaik. Ich liebe vor allem diesen Augenblick, der zeigt, wie zerrissen Mulan innerlich ist - und wie gut man das nachfühlen kann. Hatte nicht jeder von uns schonmal einen Mulan-Moment, in der er sich gefragt hat: Wer bin ich? Und wer will ich eigentlich sein?

Mulan versucht, die Erwartungen zu erfüllen, die an sie gestellt werden. Sie versucht, den Ansprüchen gerecht zu werden und niemanden zu enttäuschen, den sie liebt - und als sie es doch tut, schämt sie sich und fühlt sich schuldig. Und dabei verbiegt sie sich, fühlt sich unwohl und erkennt sich selber nicht wieder, als sie in den Spiegel blickt. Eine schmerzhafte Kollision ihrer Vorstellung von ihrem Selbst und der ihrer Familie. Ist Mulans Problem nicht ein ganz typisches, in der Gesellschaft verankertes Problem? Ich glaube sogar, dass es auch für viele Leute ein Problem ist, obwohl sie das überhaupt nicht merken.
Wie oft habe ich in der letzten Zeit etwas gemacht, weil es jemand von mir erwartet hat, obwohl ich fand, dass es unnötig ist oder ich es eigentlich nicht wollte? Häufig. Und wie sehr ist meine Persönlichkeit geprägt von dem, was andere erwarten? Ziemlich. Ein Beispiel: Viele Freunde und manchmal auch Freunde von Freunden bitten mich um Gefallen. Warum? "Du bist fürsorglich und hilfsbereit". Danke, das ist nett. Aber wäre ich auch fürsorglich und hilfsbereit, wenn es mir egal wäre, was andere von mir denken, und wenn ich einfach so wäre, wie ich sein will? Weiß ich nicht, denn ich weiß nicht, wie ich gerne wäre, ich weiß nur, wie ich grade bin und was ich daran verändern will.
Und hier kann ich Mulans Schmerz so gut verstehen: Wenn ich mich verändere, damit ich so sein kann, wie ich es gut fände, wem stoße ich damit vor den Kopf? Sicher einigen, denn das würde bedeuten, einige alte Verbindungen loszulassen. Oder ehrlich etwas ins Gesicht zu sagen, obwohl ich weiß, dass der Empfänger es gar nicht gut aufnehmen würde. Oder auch Dinge allein tun, wenn ich das möchte, obwohl ich weiß, dass andere es gerne mit mir teilen würden.
Mulan findet am Ende des Films heraus, dass sie, wenn sie so sein kann, wie sie ist - mutig, schlau und tatkräftig, nicht angepasst - sehr viel bewirken kann und sowohl ihre Familie, als auch der chinesische Kaiserpalast trotzdem stolz auf sie ist.

So zu sein, wie man sein will, erfordert einiges an Mut. Viele Menschen, die ich kenne, haben den Mut dazu nicht. Obwohl sie ihn teilweise gerne hätten, glaube ich. Sie gehen mit der Masse konform und erfüllen Erwartungen - nur nicht ihre eigenen. Und am schlimmsten ist es, wenn sie die Erwartungen anderer irgendwann zu ihren eigenen Erwartungen an sich selbst machen. Das kommt automatisch, vermute ich. Irgendwann ist man mit dem zufrieden, was man tut, obwohl man es früher nicht gewesen wäre. Irgendwann findet man sich gut, so wie man ist, weil die Menschen, die einem wichtig sind, einen so geformt haben und sie einen so mögen. Nur, mag man sich selber eigentlich? 
Ich bin - oder war - viel zu oft so. Doch ich habe gearbeitet. Ich habe viel über Veränderung nachgedacht, viel über mich und über das, was ich mache, über die Menschen, die mir nah sind, und über neue und alte Beziehungen zu anderen Leuten. Und ich habe ein paar Punkte gefunden, die geändert werden sollen. Oder vielmehr: müssen. Ich lebe für mich und nicht für andere. Es mag egoistisch klingen, aber es ist nichts weiter als ein gesunder Grundsatz. Wie kann ich in Krisen Hilfe und ernstgemeinte Ratschläge von Freunden annehmen, wenn sie sich nicht mal selber kennen und helfen können? Ich will so eine Freundin nicht sein, ich will jemand sein, auf deren Ratschläge man sich verlassen kann, weil man weiß: Die hat sich im Griff. Die zieht es durch, wenn es ihr nicht passt. Ich würde ja auch nicht Ausschlag von einem Hautarzt behandeln lassen, der seinen eigenen Hautausschlag nicht behandelt.
Ich beginne langsam, mir die Schminke aus dem Gesicht zu wischen.
Es gibt noch viel zu tun. Aber die Erfolge, dich ich bereits nach kurzer Zeit sehe, machen mir Mut, den Weg weiter zu gehen.

 

 

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